Testbericht Yamaha Sopransaxophon
(Solo, 1997)

Mit dem neuen Sopransax 475 schließt die in Japan ansässige Firma Yamaha eine von vielen als schmerzlich empfundene, weil den Geldbeutel arg strapazierende Lücke in ihrer Modellpalette. Für nur 3100,- DM (unverbindliche Preisempfehlung) soll das kleine Wunderding die Ladentresen passieren. Die Frage, ob der Werbeslogan "It's a Miracel" auch hält, was er verspricht, soll Gegenstand des nun folgenden Textes sein. Während Alt- und Tenor Saxophone bei Yamaha mit vier (25, 32, 62 und 875) sowie Baritonsaxophone mit zwei (32 und 62) Modellvarianten vertreten sind, konnten viele Yamaha-Interessenten bislang nur auf wundersame Geldvermehrung hoffen, um an eines der ca. 5.000,- DM teuren YSS-675 (R) oder das noch kostspieligere YSS-875 zu gelanden. Mit dem neuen 475er dürften einige Saxophonistenträume in Erfüllung gehen. Denn: Wunder gibt es immer wieder.

[tiefer.gif]Verarbeitung und Aussehen

[tiefer.gif]Technik

[tiefer.gif]Ansprache und Klang

[tiefer.gif]Intonation

[tiefer.gif]Zubehör

[tiefer.gif]Fazit
   

Verarbeitung und Aussehen

Das YSS-475 sieht genauso aus, wie man sich ein Sopransaxophon vorstellt: Gerade, golden und ohne Schnickschnack. Zwecks Kostendämpfung hat man auf die Gravur am Schallbecher verzichtet, und auch die Fingerauflagen sind, wie bei Schülermodellen üblich, nur aus schnödem Plastik. Pflicht scheint heutzutage eine hochwertige Lackierung zu sein, um die Kunden bei der Stange zu halten. Deshab hat sich Yamaha hier nicht lumpen lassen und eine gut anzuschauende Goldlackierung spendiert. Die Saxophone von Yamaha sind ja nun schon seit Jahrzehnten für ihre sorgfältige und solide Herstellung bekannt und beliebt. Daß sich daran nichts geändert hat und Yamaha auch mit dem YSS-475 beste Qualitätsware abliefert, verdient Respekt. Tadellos schließende Polster, eine rund laufende und gut sitzende Mechanik sowie die sehr ausgewogen eingestellte Federspannung zeigen der Konkurrenz auf dem Markt der Schülermodelle wieder einmal, wo der Hammer hängt.
 

Wunderwerk der Technik

Und so nimmt es denn auch nicht wunder, daß das neue Yamaha-"Baby" ausgezeichnet in der Hand liegt. Das YSS-475 ist sehr gut ausbalanciert, so daß beim Spiel ohne Tragriemen die Hände wirklich nichts anderes tun müssen, als die Taster zu bedienen. Wer da noch Korrekturbedarf hat, kann dies mit dem einstellbaren Daumenhaken selbst bewerkstelligen. In Sachen Geläufigkeit und Ergonomie ist Yamaha mal wieder unübertroffen. Besonders die Lösungen saxophontypischer Knackpunkte im Bereich der hohen und tiefen Lagen verdienen an dieser Stelle besonders Erwähnung. Zunächst zur Linke-Hand-kleiner-Finger Problematik: Unter der Voraussetzung, daß der Fingernagel des kleinen Fingers ordentlich geschnitten ist, lassen sich die Intervalle Tief-b/-h bzw. cis/-b durch Betätigung der Tief-b-Taste mit dem zweiten Fingergelenk in seltener Geschwindigkeit und Präzision ausführen. Dies wird einerseits durch eine ausgefuchste Wippmechanik und andererseits durch den in sich geknickten Taster für Tief-b erreicht. Die Seitenzapfen, deren Bedienung die hohen Töne zum Klingen animiert, stehen wie von Testern aller Länder gefordert recht weit ab. Was sich für mich und sicherlich für viele andere Kollegen als segensreich erweist, kann jedoch für Schüler mit kleinen Händen recht tückisch sein. Die Gefahr, unfreiwillig eine der Klappen zu öffnen und dadurch unangenehme Geräusche zu erzeugen, läßt sich nicht von der Hand weisen. Bestnoten gibt es auch für die Positionierung der c- und dis-Taster sowie der Rollen, die ein butterweiches Hinübergleiten vom einen zum anderen Ton ermöglichen. In Zeiten, wo Sopransaxophone schon mit Hoch-G-Klappen ausgestattet werden, ist es denn fast selbstverständlich, daß das "YSS-475" mit einer Hoch-fis-Klappe versehen wurde.

Ansprache und Klang

Das Ansprechverhalten des YSS-475 läßt sich nur mit dem Wort "phantastisch" umschreiben. In den mittleren Lagen geht das Horn von alleine los, in den tiefen Regionen gibt es keine Verzögerung, und die hohen Töne lassen sich ohne Ansatzstreß und Lippenzerfleischen anblasen. Besonders angenehm fällt die Leichtigkeit auf, mit der sich das Horn dynamisch in Richtung unhörbar bewegen läßt. Die Fortissimo-Fraktion wird dagegen wohl weniger laut jubeln, denn das YSS-475 ist vom Charakter her kein Instrument für viele "ffs". Doch mit einem anderen Mundstück als dem beigelegten läßt sich trotzdem der eine oder andere nachbarliche Streit vom Zaun brechen.
Die Frage, ob sich dieser Streit dann nur um Lautstärke oder auch um Wohl- bzw. Wehklang dreht, soll Gegenstand der folgenden, wie immer höchst subjektiv gefärbten Sounduntersuchung sein. Standen früher die Yamaha-Schülermodelle besonders die 23er Serie - in dem Ruf, zwar technisch exzellente, aber vom Klang her eher mäßige, weil hart und überbrillant klingende Saxophone zu sein, so zeichnete sich schon mit der darauf folgenden 25er Serie eine Tendenz zu weicheren Klangvorstellungen ab. Tatsächlich zerstreuten sich meine Befürchtungen, daß das YSS-475 im Klangbild bretthart und damit auf Dauer höchst nervig sein könnte, schon beim ersten Anspielen. Zwar wird der volle, runde Klang der Profi-Instrumente nicht erreicht - irdendwo muß der enorme Preisunterschied ja auch begründet sein - doch kommt das Sax dieser Kategorie schon recht nahe. Ganz besonders positiv fielen mir die nahtlosen Übergänge zwischen den Lagen auf. Anders als bei manchen Konkurrenten gibt es in den Tiefen nicht plötzliches Gehupe und in den Höhen kein schockartig auftretendes infernalisch-schrilles Gekreische, vielmehr ist hier Wohlklang über drei Oktaven angesagt.

Intonation

Der Punkt, der mich positiv verwundert, ist die Stimmung des YSS-475. Gibt es bei Sopransaxophonen sonst in dieser Beziehung häufig was zu meckern und zu mäkeln, kann beim YSS-475 der Zeiger meines Stimmgerätes nicht anders, als sich immer brav auf die Null zu bewegen. Und das Ganze immer mit locker-leichtem Ansatz in allen Lagen. Das ist ein echtes Mirakel.
 

Zubehör

Im sehr stabilen Koffer, der mit überzeugenden Verschlüssen ausgestattet ist, befinden sich folgende zum Gebrauch bestimmte Utensilien:

  1. Ein Yamaha 4C Mundstück, das hervorragend zum YSS-475 paßt
  2. Der Yamaha Standardriemen
  3. Korkfett
  4. Ein Lappen
  5. Bedienungsanleitung

Fazit

Es braucht wohl keine besonderen hellseherischen Kräfte, um dem YSS-475 eine glänzende Zukunft vorherzusagen. In dieser Preisklasse habe ich bisher noch nichts vergleichbar Gutes getestet. Ich muß mich nur fragen, ob die enorme Preisdifferenz zu den Profimodellen überhaupt noch gerechtfertigt ist. Wer sich also für das neue Yamaha Sopran interessiert, sollte gleich zuschlagen!

Robert Kretschmer

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